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Wöhlerlinie

Die Wöhlerlinie ist eine Kennlinie aus der Werkstofftechnik, die das Verhalten von Materialien unter dynamischer Belastung beschreibt.

Die dynamische Belastung bezeichnet eine Veränderung der einwirkenden mechanischen Kraft und deren Richtung mit der Zeit. Es handelt sich somit um mechanische Schwingungen, wobei die Frequenz, d. h. die Häufigkeit, der Beanspruchungsänderung als mechanischer Lastwechsel bezeichnet wird. Im Unterschied dazu bleiben die Kraft und die Wirkrichtung bei der statischen Belastung konstant. Materialkennwerte für eine statische Belastung werden beispielsweise im Zugversuch ermittelt.

Nahezu alle Komponenten von Maschinen und Anlagen unterliegen im Betrieb einer dynamischen Belastung. Dabei ist die mechanische Spannungsamplitude, d. h. der Maximalwert, der dynamischen Belastung niedriger als die Zugfestigkeit der Werkstoffe. Im Regelfall sind die Spannungsamplituden sogar geringer als die Fließgrenzen der Werkstoffe. Obwohl die Spannungsamplituden der dynamischen Belastung meist geringer sind als die mechanischen Festigkeiten, kann es trotzdem zum Bruch und somit zum Versagen von Bauteilen kommen. Grund hierfür sind Veränderungen im Werkstoff, welche als Materialermüdung bezeichnet werden. Bei dynamischen Belastungen können diese Werkstoffschädigungen bei metallischen Werkstoffen bereits bei niedrigen Temperaturen stattfinden, d. h. die homologe Temperatur ist deutlich niedriger als 0,4. Somit spielt beim Einsatz auch das Kriechen der Werkstoffe praktisch keine Rolle.

Zur Ermittlung des Werkstoffverhaltens unter dynamischer Belastung wird der sogenannte Wöhlerversuch, auch Dauerschwingversuch bezeichnet, durchgeführt. Dabei werden eine Vielzahl von identischen Proben mit unterschiedlichen dynamischen Schwingungen belastet und die jeweilige Anzahl der Lastwechsel bis zum Bruch ermittelt. Die Spannungsamplituden der jeweiligen Versuche werden bei den Versuchen stetig verringert. Proben die mit einer hohen Spannungsamplitude belastet werden versagen hierbei recht schnell, wohingegen geringere Spannungsamplituden zu einer höheren Anzahl von Lastwechseln und somit zu größeren Lebensdauern führen. Werden die Spannungsamplituden über die zugehörige Anzahl der Lastwechsel, auch Lastwechselzahl genannt, in einem Diagramm aufgetragen, so ergibt dies die Wöhlerlinie. Die Darstellung kann hierbei in linearer, halblogarithmischer oder doppeltlogarithmischer Form erfolgen. In der folgenden Abbildung ist eine Wöhlerlinie für einen unlegierten Stahl in einem halblogarithmischen Koordinatensystem schematisch dargestellt.

Wöhlerlinie
Abb. 1: Schematische Darstellung einer Wöhlerlinie eines unlegierten Stahls

Anhand der Wöhlerlinie werden charakteristische Festigkeiten für dynamisch beanspruchte Werkstoffe definiert. Es handelt sich hierbei um die die Kurzzeitfestigkeit, die Zeitfestigkeit und die Dauerfestigkeit.

Die Dauerfestigkeit, auch Schwingfestigkeit genannt, bezeichnet jene maximale Spannungsamplitude unterhalb der ein Werkstoff eine unendlich hohe Anzahl von Lastwechsel erduldet. Die Bestimmung einer unendlich hohen Lastwechselzahl ist allerdings praktisch nicht möglich. Daher werden Werkstoffe, die etwa 106 bis 107 Lastwechsel überleben als dauerfest bezeichnet. Der exakte Wert dieser sogenannten Grenzlastspielzahl ist abhängig vom Werkstoff.

Die Zeitfestigkeit bezeichnet den Bereich von etwa 103 oder 104 Lastwechseln bis hin zur Dauerfestigkeit. In der halblogarithmischen oder doppeltlogarithmischen Wöhlerlinie ist der Bereich durch eine nahezu schräg verlaufende Gerade gekennzeichnet.

Die Kurzzeitfestigkeit ist jene Spannungsamplitude, die ein Werkstoff maximal nur bis etwa 103 oder 104 Lastwechsel überlebt. Dabei ist der Übergang von der Kurzzeitfestigkeit in den Zeitfestigkeitsbereich nicht immer eindeutig bestimmbar.

Bei vielen Werkstoffen zeigt die Wöhlerlinie keine horizontal verlaufende Dauerfestigkeitslinie, wie in der oberen Abbildung dargestellt. Dazu zählen beispielsweise Aluminium, Kupfer oder Legierungen wie Messing. Diese Werkstoffe können auch bei niedrigen Spannungsamplituden und sehr hohen Lastwechselzahlen, d. h. größer 107, versagen. Trotzdem wird bei diesen Werkstoffen eine Dauerfestigkeit angegeben sobald sie im Wöhlerversuch etwa 106 bzw. 107 Lastwechsel überleben.

Neben der Werkstoffzusammensetzung können auch Umgebungsbedingungen die Dauerfestigkeit von Werkstoffen reduzieren. Ein Beispiel hierfür wäre die Schwingungsrisskorrosion. Dabei kann durch die Anwesenheit eines korrosionsfördernden Mediums die Lebensdauer von Bauteilen deutlich verringert werden, was sich in einer Verschiebung der Wöhlerlinie zu geringeren Werten äußert. Aus diesem Grund müssen bei der Planung von Bauteilen und Anlagen alle Betriebsbedingungen berücksichtigt werden, um Schäden zu vermeiden.

Synonym(e):

Wöhlerkurve

Englische Übersetzung(en):

woehler curve, stress-life diagram, fatigue curve, stress number curve, S-N diagram

Ontologie