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Thermoelektrik

Thermoelektrik beschreibt den Vorgang, Wärme direkt in elektrische Energie umzuwandeln. Dieser Effekt ist nach dem Deutsch-Balten Thomas Seebeck benannt, der ihn 1821 entdeckte. Aufgrund einer Temperaturdifferenz an den Enden eines elektrischen Leiters kommt es zu einer Verschiebung von Elektronen (Thermodiffusion). In Metallen wandern mehr Elektronen vom warmen zum kalten Ende des Leiters als umgekehrt. Effektiv lädt sich somit das kalte Ende negativ gegenüber dem warmen Ende auf. Die entstehende Spannung nennt man Thermospannung. Sie ist materialabhängig, d. h. bei einer gleichen Temperaturdifferenz weisen zwei unterschiedliche Leiter unterschiedliche Thermospannungen auf. Zu einem Stromfluss kommt es, wenn man zwei unterschiedliche Leiter zu einem Kreis zusammenschließt und die beiden Kontaktstellen unterschiedlichen Temperaturen aussetzt. Je Leiter bildet sich eine spezifische Thermospannung aus, und die Gesamtspannung über beide Leiter ergibt sich aus der Differenz der beiden Einzelspannungen. Angetrieben von der Temperaturdifferenz an den beiden Kontaktstellen entsteht somit ein Stromfluss.

Den umgekehrten Effekt, nämlich die Erzeugung von Wärme (bzw. Kälte) aus elektrischer Energie mit thermoelektrischen Materialien, nennt man Peltier-Effekt. Derzeit hat die thermoelektrische Kühlung einen Marktanteil von über 80 Prozent. Der Rest entfällt auf die Stromerzeugung aus Wärme.

Funktionsweise

Ein thermoelektrisches Modul besteht aus einer Vielzahl von elektrisch in Reihe geschalteten n- und p-leitenden, thermoelektrischen Materialien. Thermisch sind diese parallel geschaltet, so dass ein Wärmefluss durch sie stattfinden kann.

Ein thermoelektrisches System besteht aus einem Wärmetauscher an der Heißseite und einem an der Kaltseite, einem dazwischenliegenden thermoelektrischen Modul und einem elektronischen Konverter zur Einspeisung der elektrischen Energie.

Maßgebliche Größe bei thermoelektrischen Materialien ist der sogenannte ZT-Wert, der in Zusammenhang mit dem Carnotwirkungsgrad eine Maßzahl für die Effizienz ist, Wärmeenergie in elektrische Energie umzuwandeln. Über Jahrzehnte hinweg stagnierte der ZT-Wert bei 1. In den letzten Jahren konnten jedoch in Laborversuchen thermo-elektrische Materialien mit einem ZT-Wert von 2,4 hergestellt werden. Je größer der ZT-Wert ist, umso größer ist der Anteil der Wärme, der in elektrische Energie umgewandelt werden kann. Für Materialien mit einem ZT-Wert von 3 werden breite kommerzielle Anwendungen, wie z. B. der Betrieb von Haushaltskühlschränken, erwartet.

Materialien

Materialien für thermoelektrische Module müssen mehrere grundlegende Eigenschaften besitzen. Zunächst sollen sie eine hohe thermoelektrische Effizienz aufweisen. Das bedeutet, dass das Material einen hohen Seebeck-Koeffizienten, eine hohe elektrische Leitfähigkeit und eine geringe Wärmeleitfähigkeit besitzt. Der hohe Seebeck-Koeffizient stellt dabei sicher, dass es nur n-leitend oder nur p-leitend ist. Die thermoelektrische Gütezahl fasst diese Faktoren zusammen und ist damit ein Maß für die Effizienz der Materialien.

Für die Thermoelektrik geeignet sind bestimmte Halbleitermaterialien, die durch Dotierung, durch Festlösungen, durch die Modifizierung der Bandstruktur oder durch den Einsatz von Nanomaterialien optimiert werden können. Diese Materialien werden jeweils bevorzugt in spezifischen Temperaturbereichen angewendet, da sie neben der mechanischen Beständigkeit auch thermische Beständigkeit aufweisen müssen.

Problematisch ist, dass die verwendeten Materialien häufig selten und teuer sind und aus toxischen Elementen bestehen. Daher wird weiter intensiv an neuen thermoelektrischen Materialien geforscht.

Sehr verbreitet ist die Anwendung von Telluriden in thermoelektrischen Modulen. Zu dieser Gruppe zählen Bismuttellurid, Zinntellurid und Bleitellurid. Auch Bismutselenid weist sehr gute thermoelektrische Eigenschaften auf. Verschiedene Silizide wie beispielsweise Eisensilizid oder auch die künstlichen Antimonid-Verbindungen Galliumantimonid oder Indiumantimonid eignen sich ebenfalls für thermoelektrische Anwendungen.

Alternativen sind Perowskite sowie Half-Heusler-Verbindungen. Bei einer Half-Heusler-Verbindung handelt es sich um eine Legierung dreier Stoffe. Zwei Elemente dieser Legierung bestehen aus Übergangsmetallen wie Mangan, Kupfer, Titan oder Nickel. Das andere Element ist üblicherweise in der dritten bis fünften Hauptgruppe des Periodensystems zu finden, zum Beispiel Aluminium oder Indium.

Relativ neue und effektive Materialklassen sind die Clathrate sowie TAGS und LAST. Bei Clathraten handelt es sich um Kristallverbindungen, die einzelne Atome in käfigartige Hohlräume einsperren. Es wurden bereits Clathrate aus Barium, Silizium und Gold hergestellt, die Cer-Atome enthalten. Cer gehört zu den seltenen Erden. TAGS und LAST sind spezielle Mischkristalle basierend auf Verbindungen aus Silber, Antimon, Tellur sowie Germanium oder Blei. Diese Materialien eignen sich insbesondere bei hohen Temperaturen.

Anwendungen

Es gibt derzeit eine Vielzahl von Nischenanwendungen für die Thermoelektrik. Die Palette reicht von energieautarken Sensoren über Vorwärmer für Dieselloks, Umweltmessstationen und Weinkühlern bis hin zu Herzschrittmachern und Campinganwendungen. Des Weiteren werden seit Jahren gasbefeuerte thermoelektrische Generatoren in großem Umfang für die autarke Versorgung von Messstationen an Gas- und Öl-Pipelines in schwer zugänglichen Gebieten eingesetzt.

In der Raumfahrt wird mittels der Thermoelektrik seit 40 Jahren elektrische Energie für Raumsonden z. B. Voyager 1 und 2 und für die Planetenerkundung erzeugt. In diesen Anwendungen zeichnet sich die Thermoelektrik durch ihre Wartungsfreiheit und Zuverlässigkeit aus.

Eine Entwicklung für Schwellen- und Entwicklungsländer, in denen mit Biomasse gekocht wird, ist ein holzbefeuerter Ofen mit einem thermoelektrisch betriebenen Ventilator. Dieser stellt eine effizientere Verbrennung sicher, wobei gleichzeitig die Entwicklung gesundheitsschädlicher Rauchgase auf ca. 10 Prozent der Emissionen sonstiger vergleichbarer Anlagen gemindert wird.

Ein neues Anwendungsgebiet der Thermoelektrik ist die Kühlung und Temperierung von Autositzen. In den USA werden ca. 300.000 Stück pro Jahr vertrieben. Die thermoelektrische Kühlung von Computerchips hat sich nicht durchgesetzt. Das Anwendungspotenzial der Thermoelektrik in der Medizin ist noch nicht absehbar. Für die Zukunft vorstellbar ist auch die Stromgenerierung über Körperwärme für mobile elektronische Apparate.

Industrielle Abwärme

Im Bereich der Nutzung industrieller Abwärme sind bisher nur wenige Anwendungen identifiziert, in denen eine einfache Nachrüstung von Anlagen auf Basis thermoelektrischer Generatoren möglich wäre. zum einen sollte eine Wärmestromdichte von 10 bis 20 W/cm² nicht unterschritten werden. Folglich werden Konstellationen benötigt, an denen hohe Energiestromdichten bei gleichzeitig hohen Temperaturdifferenzen vorliegen. zum anderen steht die Thermoelektrik in diesen Anwendungsfällen gerade für größere Leistungen im Megawattbereich in Konkurrenz zu Organic-Rankine-Cycle-Verfahren. Diese können ab einem Leistungsbereich von 350 kW eingesetzt werden. Demgegenüber besteht allerdings ein erhöhter Wartungsaufwand.

In Japan gibt es Untersuchungen über die Nutzung von Müllverbrennungsgasen mit thermoelektrischen Generatoren. Der Einbau thermoelektrischer Generatoren in BHKWs und bei der Pellet-Feuerung könnte wirtschaftlich sein, wenn es kommerzielle thermoelektrische Generatoren für Temperaturen über 250 °C gäbe. Derzeit gibt es Demonstrationsanlagen mit bis 10 kW elektrische Leistung, die mit Abgasabwärme gespeist werden, und mit thermoelektrischen Generatoren in Mikro-KWK-Anlagen (Pelletfeuerungsanlagen, bis 300 Wel). Anlagen bis 400 °C Einsatztemperaturen sind in Vorbereitung.

Die Anwendung der Thermoelektrik zur Verstromung der Abwärme von Automobilabgasen ist derzeit die prädestinierte Anwendung der Thermoelektrik bzw. die Pilotanwendung, in der sich thermoelektrische Generatoren bewähren müssen. Allerdings verwendet die Automobilindustrie nicht die neusten Materialentwicklungen, sondern greift auf bereits etablierte Materialien zurück, also im Wesentlichen Bismuttellurid. Defizite liegen zum einen in der Entwicklung geeigneter Materialien, die in einem breiten Temperaturbereich hocheffizient sind. zum anderen mangelt es an den Lieferketten, und drittens bedarf es einer Weiterentwicklung von Wärmetauschersystemen.

Mit oxidbasierten Materialien lässt sich Wärme mit hohen Temperaturen verstromen. Vorteile des Einsatzes von thermoelektrischen Generatoren in Solarthermiekraftwerken sind vor allem das einfache Wirkprinzip und die Nutzung eines breiteren Spektrums der Sonnenenergie als bei derzeitigen CSP(Concentrated Solar Power)-Anlagen.

Ontologie