Stromnetze

Mit der Energiewende wird die Steuerung des Energiesystems komplexer. Es wird in den kommenden Jahrzehnten tiefgreifend umgebaut. Auch die Anforderungen an Übertragungs- und Verteilungsnetzbetreiber steigen. Stromnetze müssen vor allem flexibel und aktiv werden, um die Versorgung auch künftig sichern zu können: Flexibler müssen die Netze vor allem deshalb werden, weil sie bei einem weiter steigenden Anteil von Strom aus erneuerbaren Energiequellen auch immer mehr fluktuierend eingespeisten Strom aufnehmen müssen. Denn Wind und Sonne liefern Strom nicht konstant, sondern witterungsabhängig. Zudem wird Strom aus immer mehr dezentralen Anlagen verschiedener Größe eingespeist. Aktiv müssen die Netze werden, um in diesem Zusammenhang stabil zu bleiben bzw. um Frequenz und Spannung zu halten. Besonders wichtig dafür sind Lösungen für erweiterte Regelungsmöglichkeiten und die Informations- und Kommunikationstechnik. Für den Betrieb intelligenter Stromnetze, sogenannter Smart Grids, sind sowohl innovative Technologien als auch neue Geschäftsmodelle gefragt. Flexible Betriebsstrategien und ein intelligentes Lastmanagement können die weitere Integration erneuerbarer Energien ermöglichen und dabei das Netz stabil halten. Zugleich ergibt sich weiterer Forschungsbedarf, etwa mit Blick auf einen sicheren und effizienten Umgang mit den enormen Datenmengen, die im zunehmend flexibilisierten und automatisierten Energiesystem entstehen.

Fördermittel für Stromnetze

Förderschwerpunkte und wissenschaftliche Fortschritte

Der Zubau erneuerbarer Energien geht einher mit verstärkt schwankender Einspeisung und größeren Prognoseunschärfen. Darum liegt ein Schwerpunkt in der angewandten Projektförderung des BMWi auf der Beherrschung der zunehmenden Dynamik im Stromnetz. Sie zwingt Leitwarten dazu, schneller und präziser auf Ereignisse zu reagieren, um die Systemsicherheit zu gewährleisten.

Das Vorhaben „DynaGridCenter“ dreht sich um die nächste Generation von Netzleitwarten und intelligenter HGÜ-Stationsleittechnik. Diese ermöglicht es, Betriebszustände in Echtzeit zu erfassen und das System selbständig zu regeln. Der Netzbetrieb kann stabil gehalten werden, weil diese Art intelligenter Stationsleittechnik frühzeitig und automatisiert Hindernisse oder Störungen erkennt und entsprechend reagiert. Im März 2017 wurde im Verbund ein einzigartiges Versuchslabor in Betrieb genommen, an dem in Zukunft die neuen Leitwartenfunktionen prototypisch getestet werden können.

Eine weitere große Herausforderung ist die oft erhebliche räumliche Distanz der Orte von Stromerzeugung und -verbrauch. Gleichstromtechnologie ermöglicht ein verlustarmes und wirtschaftliches Übertragen von Strom auf der Hochspannungsebene über weite Entfernungen und erleichtert das Vermaschen elektrischer Transportnetze. Zudem lässt sie sich gut regeln und steuern.

Das Projekt „E²HGÜ“ soll verschiedene technische Elemente der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) optimieren. Das Forscherteam entwickelt und evaluiert daher innovative Betriebsmittel für den Einsatz in transeuropäischen HGÜ-Netzen. Auf dem Gelände des Verbundpartners TU Dortmund ist im März 2017 im Rahmen des Vorhabens der Spatenstich für ein HGÜ-Testzentrum erfolgt. Dort können in Zukunft HGÜ-Komponenten, -Betriebsmittel, -Prüfmuster und Modelle entwickelt, weiter verbessert und verifiziert werden. Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten sollen in neue Komponenten einfließen, die eine optimierte Auslegung von HGÜ-Betriebsmitteln ermöglichen.

Intensiv gefördert werden auch weiterhin Kooperationsprojekte auf EU-Ebene, beispielsweise im Rahmen des ERA-Nets Smart Grids Plus, einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit europäischen Partnern zu intelligenten Stromnetzen.

Förderinitiative zukunftsfähige Stromnetze

Zur Optimierung der Netze haben das BMWi und das BMBF im Dezember 2012 als Teil des 6. Energieforschungsprogramms der Bundesregierung die Forschungsinitiative „Zukunftsfähige Stromnetze“ initiiert. Das BMWi fördert in dieser Initiative 242 Projekte mit einer Fördersumme von bis zu 104 Millionen Euro. Die geförderten Projekte decken die Schwerpunkte Netzplanung, Netzbetriebsführung sowie Entwicklung und Integration von Komponenten und Betriebsmitteln in das Energiesystem ab. Zu den durch das BMWi geförderten Projekten zählt das Verbundvorhaben Star-StroP. Dabei geht es um die Sicherung der Frequenzstabilität im Netz. Mit dem zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien steigt auch die Zahl an Wechselrichtern im Gesamtsystem, die den Strom aus Gleichstromquellen wie Windenergieanlagen vor der Einspeisung ins Netz in Wechselstrom umwandeln. Die Wechselrichter sind jedoch nicht ohne weiteres in der Lage, Stabilitätsanforderungen auf sehr kurzen Zeitskalen zu erfüllen. Bislang sind nur Lösungen für Zeitfenster und Ausfälle im Rahmen mehrerer Sekunden etabliert. Jetzt sollen Lösungen für eine sehr kurzfristige Regelung innerhalb von Mikro- oder Millisekunden entwickelt werden, optimiert für den Parallelbetrieb von Wechselrichtern.

Das BMBF fördert im Rahmen der Initiative Forschungsprojekte aus den Bereichen Simulation / Modellierung, Netzausbauplanung, Betriebsführung und Monitoring bis hin zu Material- und Komponentenentwicklung. Übergeordnetes Ziel ist, die Netzinfrastruktur optimal auszunutzen, um den notwendigen Netzausbau zu minimieren. Dabei stehen jeweils unterschiedliche Aspekte wie Systemstabilität, Netzschutz oder Automatisierung im Fokus.

Ein Beispiel aus dem Bereich Komponenten ist das Projekt HV-SiC, das den Einsatz von Transistoren aus Silizium-Karbid (SiC) untersucht. Im Fokus stehen Umrichter, die ohne 50/60Hz-Transformatoren direkt an das Mittelspannungsnetz gekoppelt werden. Durch den Einsatz neuer Halbleiter aus SiC lassen sich deutliche Wirkungsgradsteigerungen bei gleichzeitiger Kostenreduktion erzielen. Dabei erlauben Transistoren aus SiC höhere Betriebsspannungen, geringere Einschaltwiderstände, kürzere Schaltzeiten und höhere Betriebstemperaturen. Um die Vorteile von Leistungselektronik-Komponenten auf SiC-Basis zu demonstrieren, baut das Projekt aus den optimierten Komponenten einen dreiphasigen 100kW-Umrichter zur Blindleistungskompensation auf.
Im Feld der simulationsbasierten Projekte will „SwarmGrid“ mit einem neuartigen, kollektiven Regelungsansatz („Schwarmverhalten“) dezentrale Systeme intensiv in die Netzbetriebsführung einbinden. Die Bereitstellung von Systemdienstleistungen zur Verbesserung der Systemstabilität soll dabei mit minimalem Kommunikationsaufwand erfolgen.
Die Projektförderung des BMBF im Bereich Stromnetze wird im Kopernikus-Projekt ENSURE (Neue Energienetzstrukturen für die Energiewende, Kapitel 2.4.2) sowie im Forschungscampus Flexible Elektrische Netze (Kapitel 4.3.4) fortgesetzt.

Projektförderung

Im Schwerpunkt Stromnetze haben das BMWi und das BMBF im Jahr 2017 621 laufende Vorhaben mit rund 75,23 Millionen Euro gefördert. 2017 haben die Ministerien zudem 92 Forschungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von rund 55,17 Millionen Euro neu bewilligt (vgl. Abb.).